Der Franziskaner-Kapuziner Bruder Anton (Toni) Mrzlečki aus dem Kapuzinerkloster in Osijek in Kroatien spielt und erforscht neben den täglichen Ordensaufgaben ein in Kroatien seltenes Instrument, die 13-chörige Barocklaute. Von Zeit zu Zeit gibt er Konzerte, übersetzt Bücher aus der franziskanischen Literatur, der Alten Musik und ist einmal im Jahr als Berater für Lautenkonzerte bei dem Barockmusik-Festival »Varaždiner Barockabende« seiner Heimatstadt Varaždin tätig.
Die Kapuzinerkirche in Varaždin, im Norden Kroatiens, in der er von klein auf ministrierte, die heilige Kommunion erhielt und das Sakrament der Firmung empfing, war ihm sein zweites Zuhause. Er ging nach Deutschland zu seinen Eltern, wo er die Schulbildung fortsetzte. Dort studierte er Musik auf dem Augsburger Konservatorium, Hauptfach klassische Gitarre und hielt ständig den Kontakt mit der Familie in Varaždin und den Varaždiner Kapuzinern aufrecht. Später wechselte er zur Barocklaute. Im schweizerischen Basel besuchte er einen Kurs bei dem weltbekannten Lautenmeister Hopkinson Smith, Professor an der Schola Cantorum Basiliensis, der ältesten (seit 1933) und besten Hochschule für Alte Musik, der ihm, wie er betont, »die Tür der mystischen Welt der Laute einen Spalt weit öffnete« und mit dem er sich anfreundete. Im Jahre 1984 brachte Anton Hans Schotte nach Međugorje in Bosnien-Herzegowina, und Schotte drehte im Auftrag des Bayerischen Fernsehens den ersten Dokumentarfilm der Welt über Međugorje. Im Varaždiner Kapuzinerkloster gelobte er einst als Bursche, wenn er reif ist, Kapuziner zu werden.
Was zog Sie zum Lautenspiel hin?
Auf dem Konservatorium in Deutschland kam ich in Kontakt mit der Lautenmusik. Wenn man klassische Gitarre studiert, lernt man durch die Transkriptionen der Lautenmusik für Gitarre – hauptsächlich mit der Musik von J. S. Bach, Silvius Leopold Weiss und John Dowland einen kleinen Teil der Lautenmusik kennen. Sicher, das ist nicht die »echte«, ursprüngliche Lautenmusik auf dem Originalinstrument. Doch man bekommt wenigstens einen »Einstieg« und es liegt an jedem Einzelnen, inwieweit er seinen musikalischen Horizont erweitern will. In Deutschland war damals die historische Aufführungspraxis der Alten Musik, d.h. die Aufführung möglichst nach den Interpretationsbedingungen ihrer Entstehungszeit, unter anderem auf Kopien historischer Instrumente schon im vollen Gange. Einfach gesprochen, meine Seele fühlte sich immer mehr und mehr zu dieser Musik hingezogen, und es sollte noch eine Weile dauern, bis ich mich schließlich ganz für die Laute entschied. Das erste Mal, als ich eine Barocklaute in der Hand hatte, war dies eine Begegnung der Bewunderung und Achtung gegenüber dem majestätischen und kultivierten Klang der vornehmen Laute und der meisterhaften Kunst ihrer Herstellung.
Ansonsten bin ich ein Varaždiner, und Varaždin ist die bekannteste Barockstadt Kroatiens, besungen und verewigt in der Arie »Komm mit nach Varaždin, solange noch die Rosen blüh’n …« aus der Operette »Gräfin Mariza« von Emmerich Kálmán. Dort dreht sich fast alles um den Barock, so dass ich von klein auf in diesem geistigen Klima und dieser Umgebung aufwuchs. In Varaždin gibt es auch seit 1971 das Festival der Barockmusik »Varaždinske barokne večeri« (»Varaždiner Barockabende«), die früher drei Wochen dauerten und heute zehn Tage stattfinden. Es ist die größte Veranstaltung barocker Musik in Kroatien.
Wie verbinden Sie Ihre Berufung mit der Liebe zur Musikkunst?
»Ad majorem dei Gloriam – zur höheren Ehre Gottes«. Als ich in den Orden eintrat, konnte ich bereits klassische Gitarre spielen und gerade in dieser Zeit ging ich zur Laute über. Es gibt viele Fratres und auch einige Priester, die Gitarre spielen. Sie spielten sie schon, bevor sie ihre Gelübde ablegten. Ich kenne einen Frater, der gut klassische Gitarre spielt. In der Geschichte der Gitarre gab es einige Komponisten der Gitarre und Gitarristen aus dem geistigen Stand wie z. B. Gaspar Sanz (1640-1710) und Francisco Guerau (1649-?) und andere. Der Ordensberuf behindert die Talente nicht, soweit sie sich in das Ordensleben einbauen lassen. Ich spielte die Gitarre mit einfacher Begleitung mit der Jugend während der Liturgie mit franziskanischen Liedern oder bei anderen Gelegenheiten. Die Laute fing ich an, privat zu spielen. Der Guardian des Franziskanerklosters in Osijek hörte mich einmal und sagte, ich solle doch bei ihm in der Kirche ein Konzert geben. Den Leuten gefiel es und mit der Zeit ging es langsam los. Am meisten ermutigte mich die Reaktion der Jugendlichen, die diese Musik als »meditativ«, »beruhigend« und »edel« empfanden. Sicher, ich gebe nur von Zeit zu Zeit Konzerte. Wir Ordensleute beten ansonsten im Brevier im Psalm 33, 149 und 150, der Herr solle geehrt werden mit »Zither, der zehnsaitigen Harfe, Pauken, Hörnern, Flöten und Zimbeln …«. In der italienischen Übersetzung von Psalm 150 heißt es » … lodatelo con liuti e flauti …«, also »mit Lauten und Flöten … «.
Sie haben auch die Geschichte der Laute in Kroatien erforscht.
Habe ich, wozu jedoch der Rahmen dieses Gespräches zu begrenzt ist. Nur kurz: Durch den Einfluss der italienischen Renaissance kam unter anderem auch die Laute über die Adria vom Nachbarstaat Italien, bzw. den damaligen Stadtstaaten, an die kroatische Adriaküste in die Städte Dalmatiens. Am bekanntesten war sie in der Stadtrepublik Dubrovnik, mehrmals besungen in der damaligen Poesie unter dem Namen leut, als das beliebteste Instrument der Gebildeten und der Aristokratie. Der erste bekannte kroatische Tanz Pavana sesta Detta la Schiavonetta ist in der Lautensammlung Il primo libro dell’ intavolture de liuto des venezianischen Komponisten und Lautenisten Giulio Cesare Barbetta in der Bibliothek Marciana von Venedig enthalten. Die untersuchte Ikonographie mit 35 Darstellungen der Laute in Kroatien, die untersuchte literarische und archivalische Dokumentation (bis jetzt) mit zehn namentlich bekannten Lautenisten und die Klarheit der semantischen Struktur des Grundbegriffs leut weisen auf ihre feste Etablierung als ein definiertes Ganzes auf dem Gebiet der kroatischen Musikkultur von 1381 bis zu Anfang des 17. Jahrhunderts hin.
Ich habe einige Artikel in verschiedenen kroatischen Musikzeitschriften veröffentlicht und einen in der englischen Fachzeitschrift »The Lute – Journal of the Lute Society« E-Mail: Lutesoc@aol.com ; Website: www.lutesoc.co.uk/ Artikel »The Lute in Croatia«.
Sie übersetzen auch?
Ja! Mit den Jahren ist etwas zusammengekommen: aus dem Deutschen meine Übersetzung des ersten Buches in Kroatien über die Geschichte der Gitarre mit dem Titel »Die Gitarre«, meines Freundes, des deutschen Musikwissenschaftler Dr. phil. Peter Päffgen, Fachmann auf diesem Gebiet, herausgebracht vom Musikverlag »Music Play« in Zagreb. Es folgte dann das erste Buch in Kroatien über die Aufführungspraxis Alter Musik des berühmten österreichischen Dirigenten und Pioniers Alter Musik, Nikolaus Harnoncourt, »Musik als Klangrede«, veröffentlicht im Verlag »Algoritam« in Zagreb, und sein zweites Buch »Der musikalische Dialog« im Eigenverlag. Drei meiner Übersetzungen von Schulen oder Methoden des Lautenspiels, die ersten in Kroatien, eine umfangreiche Sammlung meiner Übersetzungen musikwissenschaftlicher Texte über die Laute, die mit der Zeit wächst für unsere bescheidene Lautenszene, das Buch »Die Laute in Europa« von Andreas Schlegel, das Buch »Die Barockgitarre« von Johannes Monno und das Buch »The Chitarrone and its Repertoire in Seventeenth-Century Italy« von Kevin Mason im Eigenverlag.
Außer musikwissenschaftlichen Texten habe ich ein paar Bücher über einige unserer Kapuzinerheiligen übersetzt, das Buch »Franziskus, Meister des Gebets« des deutschen Kapuziners Leonhard Lehmann, die Geschichte der Kapuziner »Die Kapuziner« von Theophil Graf und die Geschichte des Zölibats »Der Klerikerzölibat – seine Entwicklungsgeschichte und seine theologischen Grundlagen« von Alfons Maria Kardinal Stickler, das der größte kroatische katholische Verlag KS herausgebracht hat. Unlängst war die Buchvorstellung meiner Übersetzung über den Kapuziner »Markus aus Aviano«, des päpstlichen Gesandten bei der Befreiung Wiens 1683 und des geistigen Anführers der christliche Armee bei der Befreiung Europas von den Osmanen, das das hiesige Staatsarchiv in Osijek veröffentlicht hat. Die letzte meiner Übersetzungen ist »Leben und Wirken der ehrwürdigen Schwester Leopoldine Brandis« aus der altdeutschen Schrift.
Musizieren Sie solistisch und was ist Ihr Repertoire?
Ja, weil das Repertoire der Barocklaute hauptsächlich solistisch ist. Im Repertoire habe ich drei Werke für Laute von J. S. Bach, einige von Silvius Leopold Weiss, also 18. Jahrhundert, und ein wenig Essaias Reusner, Françoise Dufault, Denis Gaultier, Jacques Bittner und Robert de Visée aus dem 17. Jahrhundert.
Dank Ihnen ist die Barocklaute bei dem Barockmusikfestival in Varaždin etabliert?
Gottlob! Dank dem inzwischen verstorbenen Prof. Marijan Zuber, der grauen Eminenz des Musiklebens in Varaždin. Er war sehr aufgeschlossen der Laute gegenüber und setzte sich mit seinem Wort ein, Hopkinson Smith nach Varaždin für das Festival zu engagieren, der Offenheit und Aufgeschlossenheit des ehemaligen Leiters des Festivals, Prof. Vladimir Kranjčević, außerdem Davor Bobić, dem jetzigen Festivalleiter, Dr. sc. Zdenka Weber und einiger anderer Persönlichkeiten und des Klerus in Varaždin. Als vor ein paar Jahren Davor Bobić, der berühmte kroatische Komponist aus Varaždin, Leiter des Festivals wurde, wurden die Barocklaute, Theorbe und die Barockgitarre solistischer Bestandteil des Barockfestivals. Ja, das gesamte Konzept wurde auf die historische Aufführungspraxis hin umgeändert. Ich vermittle, übersetze und berate bei Lautenkonzerten oder schreibe auch das Programmheft über die Komponisten, die der Interpret aufführen wird, falls es der Künstler nicht geliefert hat. Peter Päffgen und Hopkinson Smith helfen mir mit Rat und Tat, wenn ich etwas brauche.
Sagen Sie mir etwas über die Laute.
Die Laute ist das vornehmste Zupfinstrument mit einem Repertoire vom Ende des 15. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Auf ihr wird Alte Musik vom 14. bis zum 18. Jahrhundert im Ensemble, solistisch und zur Begleitung des Gesanges gespielt. Es gibt verschiedene Lautentypen: die Lauten aus dem Mittelalter, der Renaissance und des Barock, die Theorbe(n) und/oder der Chitarrone, der Colascione, Arciliuto und Liuto attiorbato. Das besondere Merkmal der »klassischen« Laute ist ihr »Knickhals« (engl. bent back Peg box), bzw. der nach hinten fast im rechten Winkel abgeknickte Wirbelkasten, den kein anderes Saiteninstrument hat. Es gibt allerdings auch einige andere Lautentypen, die diesen Knickhals nicht haben. Im 15. Jahrhundert wurde ihre eigene Notation entwickelt, die sog. Tabulatur (deutsche, italienische und französische) und Ende des 15. Jahrhunderts kam es zur Spieltechnik des Plektrumspiels, zum Spiel mit den Fingerkuppen. Die erste gedruckte Seite der europäischen Instrumentalmusik überhaupt war die der Lautentabulatur, die Intabulation (Übertragung von der Notation in die Tabulaturschrift) der Motette von Josquin des Pres »Ave Maria« aus der Sammlung Intavolatura de lauto, il libro primo von Francesco Spinacino, gedruckt 1507 in Venedig. Im Verlauf der Geschichte bekam die Laute immer mehr Chöre (Saitenpaare) im Bassbereich, sechs zu Anfang der Renaissance, um 1638 elf Chöre und die neue d-Moll-Stimmung in Frankreich, und schließlich 1719 dreizehn Chöre in Deutschland. Neben der Fiedel ist die Laute das am meisten dargestellte Instrument in der Malerei der Renaissance und symbolisiert oft die Musik als solches; sie ist sehr oft dargestellt in Kirchen, wo sie Engel in Händen halten. Das große Zeitalter der Laute ist das 16. und 17. Jahrhundert. In Frankreich wurde sie bis zur ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts als das edelste Instrument überhaupt angesehen und war Symbol der französischen Vornehmheit. Früher bezeichnete man in Frankreich alle Instrumentenbauer als luthier, was wörtlich der Lautenbauer bedeutet. Ihr einstiger Status hat sich bis heute in Italien im Terminus liuteria erhalten, was Geigenbau allgemein bedeutet, wörtlich aber der Lautenbau ist. Liutaio bedeutet in Italien der Geigenbauer, wörtlich jedoch ist es der Lautenbauer. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts jedoch geriet sie in Deutschland in Vergessenheit.
In den letzten Jahrzehnten ist sie neben anderen historischen Instrumenten an speziellen Abteilungen für Alte Musik in Musikakademien etabliert. Ebenso ist sie nicht mehr wegzudenken aus Musikkreisen Europas und der ganzen Welt, wo Alte Musik gepflegt wird. Es gibt einen relativ großen Markt an erhältlichen CDs; Lautenbauer weltweit und eine umfangreiche Fachliteratur über die Laute.
Nachdem der breiteren Musiköffentlichkeit die Lautenmusik lange unbekannt war, begreift und nimmt sie heute ein immer größeres Publikum an, und ihr Repertoire wird immer mehr erschlossen. In unserer Welt voller Lärm, der unsere Sinne abstumpft, sensibilisiert und veredelt uns die Musik der Laute und stellt ein kulturelles Modell für eine vollkommenere europäischen Identität und Verbundenheit dar.
Danke für das Gespräch.