Prof. Boris Šinigoj ist ein slowenischer Philosoph (slowenische Philosophie, christlicher Existenzialismus, Metaphysik, verbunden mit Theologie, philosophischer Anthrophologie, Ästhetik und angewandter Philosophie), klassischer Gitarrist mit Diplom, und ein allseitig gebildeter Musiker, der nicht nur verschiedene Lautentypen, sondern auch verschiedene orientale Zupfinstrumente spielt. Bis heute hat er zwei CDs aufgenommen, und außer Philosophie unterrichtet er die Laute an der Musikschule Vič-Rudnik in Ljubljana. Er leitet das Alte-Musik-Ensemble „Nova Schola Labacensis“ und das Ethno-Ensemble „Vagantes“.
Sie sind der Doyen der Laute in Slowenien. Stellen Sie sich uns kurz vor. Wo sind Sie geboren?
Vielleicht ist es nicht gerade am besten, wenn Sie mich so bezeichnen, weil schon eine Generation vor mir in Slowenien in den 70er- und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts Lautenisten lebten und spielten, wie Pavel Šraj, der auch ein Lautenbauer war, danach aber nach Australien auswanderte und erst vor ein paar Jahren zurückkehrte. Leider verstarb er bald und ließ alle seine Instrumente in Australien zurück. Im Jahrzehnt davor in den 70ern spielten der Lautenist Primož Soban, der auch ein Bratschist in der Slowenischen Philharmonie war, und Tomaž Šegula im ersten slowenischen Alte-Musik-Ensemble, der Schola Labacensis. Obwohl dies noch schwere und nicht gerade authentische Instrumente waren, die sie spielten, muss man ihren Pioniergeist anerkennen. Und als ich paralell zur klassischen Gitarre auch die Renaissancelaute zu spielen begann, war ich fast vollkommen alleine, aber Tomaž Šegula und Primož Soban, die jedoch nicht mehr ihre Instrumente hatten, halfen mir mit Literatur und Ratschlägen. Ansonsten, von mütterlicher Seite her, stamme ich von der Insel Brač in Kroatien aus der alten Adelsfamilie Cerineo, und väterlicherseits aus Slowenien. Mein Vater war Berufsmusiker und ehemaliger Leiter der slowenischen Philharmonie.
Wie sah Ihre Musikschulung aus? War die Gitarre Ihr erstes Musikinstrument, und wann und wie fingen Sie Gitarre zu spielen an?
Ich fing die Posaune mit neun, zehn Jahren bei meinem Vater zu spielen an, und erst mit vierzehn entdeckte ich die klassische Gitarre. Aber schon nach einigen Jahren fand mich die Renaissancelaute in der zweiten Klasse der Musikmittelschule, auf die mein Vater wie durch eine Fügung in einem Musikgeschäft im Zentrum von Ljubljana gestoßen war.
Bei wem lernten Sie die Gitarre, bevor Sie auf die Musikakademie kamen?
Mein erster Gitarrenlehrer war Professor Anton Čare, der bei uns als erster die Gitarre in der Klasse von Stanko Prek an der Musikmittelschule in Ljubljana diplomierte, und ansonsten ein ausgezeichneter Violoncellospieler beim Radiosymphonieorchester war. Er hat mich wahrhaft begeistert, weil ich bei ihm sogar bei Prüfungen meine eigenen Kompositionen spielen konnte. Ein solches Herangehen motivierte mich immer mehr zu dem Gitarrenspiel, und für die Posaune zeigte ich dann immer weniger Interesse, weil man beim Posaunenspiel schwer etwas Ernsthaftes ohne Begleitung spielen kann. Später lernte ich dann an der Musikmittelschule bei Professor Tomaž Šegula, der mir half, eine bessere Technik zu entwickeln und mich sehr unterstützte, das heißt mich zum Spielen des Renaissancerepertoires auf der Laute stimulierte. Zu dieser Zeit spielte ich schon Konzerte auf der Laute und Gitarre.
Einmal wurde vergeblich einer von den schon etablierten Musikern gesucht, um sich in einem Radioduell mit dem damaligen jugoslawischen Nestor der Gitarre, Jovan Jovičić, zu messen. Jovičić sollte in einem Belgrader Studio mit serbischen Literaten, und ich im ljubljaner Studio mit slowenischen Dichtern mitwirken. Dieses Geschehnis war für mich ein so starker Antrieb, dass es mich mitriss, und ich spielte dann nach den berühmten Kompositionen „Milkina kuća na kraju“ („Milkas Haus am Ende“) und der „Makedonska rapsodija“ („Mazedonische Rhapsodie“) gespielt von Jovičić live einige meiner Gitarrenkompositionen. Im musikalischen Sinne jedoch lernte ich am meisten bei dem Violinisten Tomaž Lorenz in der Klasse der Kammermusik, wo ich im Duett mit der Flötistin Barbara Velikonja spielte, die eine neue Irena Grafenauer hätte werden können. Leider verstarb sie schon im ersten Jahr der Akademie tragisch.
Bei wem studierten und diplomierten Sie die klassische Gitarre an der Musikakademie?
An der Akademie in Ljubljana an der neuen Sektion für Gitarre diplomierte ich bei Professor Igor Saje als erster von allen Studenten, die damals aus dem ganzen ehemaligen Jugoslawien ausgesucht wurden. Damit verteidigte ich den akademischen Status des Gitarrestudiums. Diesen Status haben mir damals viele streitig gemacht, obwohl ich die Gitarre paralell mit Philosophie an der Philosophischen Fakultät in Ljubljana studierte.
Danach musste ich trotz der höchsten Note und der doppelten Bewertungskommission gut zwei Jahrzehnte warten, um mein Diplom auch auf der zweiten Stufe zu machen, da man die zweite Stufe zur Zeit meiner Schulung nicht anbieten wollte. So habe ich nach dem ersten Musikdiplom am meisten vom ersten Flötisten der slowenischen Philharmonie, Rudi Pok, gelernt. Er war auch der erste Lehrer der Irena Grafenauer, mit der ich im Duett zur Gitarre sehr wertvolle Kompositionen von Telemann, Bach und Händel, Villa-Lobos, Ibert, Johann Cilenšek und Eugène Bozza spielte.
Wie und wann lernten Sie die Laute kennen, welchen Typ, und wer baute sie?
Wie ich schon sagte, die Laute fand mich, als ich noch an der Mittelmusikschule war. Das war aber eine zu massiv gebaute Laute eines unbekannten Lautenbauers aus der damaligen DDR, mit acht Chören und Darmbünden, Holzwirbeln, und einem ziemlich schönen Klang.
Wo haben Sie sie aufgetrieben und bei wem fingen Sie das Lautenspiel zu lernen an? Autodidaktisch oder hatten Sie einen Lehrer?
Mir scheint, dass meine damalige Laute von Belgrad nach Ljubljana aus einem Schaufenster irgendeiner ostdeutschen Firma mit noch zwei verwandten, aber ziemlich schlecht gebauten Lauten kam, beziehungsweise mit irgendeiner Theorbe und einer Gitarrenlaute. Als ich sie auftrieb, fing ich wie alle übrigen Pioniere des Lautenspiels als Autodidakt an (ähnlich ist es auch mit anderen Instrumenten – die Pioniere fingen immer als Autodidakten an: Als Beispiel eines Pionier-Autodidakts der klassischen Gitarre sei Julian Bream angeführt). Bald danach ging ich nach Grožnjan in Istrien/Kroatien zur Vervollkommnung und spielte mit den Mitgliedern des Dufay Collective Konzerte. Bald ging es solistisch weiter mit Konzerten in Belgrad und Ljubljana und mit Marjan Trček im Duett Jubilet.
Als ich nach einigen Jahren in Venedig den Lautenisten Andrea Damiani traf, empfahl er mir Ivo Magherini als den besten Erbauer der Erzlaute (Arciliuto), die ich dann später auch wirklich von ihm bekam. Und dann fing unsere langjährige Zusammenarbeit und Freundschaft an. Ivo machte mich mit Paul O’Dette, Lynda Sayce, Hopkinson Smith und auch mit der französischen Lautenspielerin Pascale Boquet bekannt und schenkte mir viele Faksimileausgaben, sogar Tabulaturhandschriften, und baute in den nächsten Jahren für mich neue ausgezeichnete Instrumente: eine Theorbe, eine Renaissancelaute, eine Vihuela, eine Renaissancegitarre und eine Barockgitarre nach dem Originalmodell des Andreas Berr (ansonsten des beliebtesten Lautenbauers des Grafen von Losy) aus dem Landesmuseum in Ptuj. Auf dieser Laute spielte ich vor einigen Jahren auf CD auch die einzelnen Tabulaturen ein, die bei uns in Slowenien zwischen den Blättern der Passion von Škofja Loka gefunden wurden.
Wie ging es weiter mit der Laute, das heißt mit den Lauten: Welche waren die nächsten Lautentypen und wie lernten Sie sie spielen, autodidaktisch und/oder in Kursen? Immerhin unterrichteten Sie trotz alledem noch Philosophie.
Langsam, aber beharrlich machte ich Fortschritte neben unabhängigen Forschungen der Faksimileausgaben und dem Studium verschiedener historischer Quellen, mit denen ich dann die konkreten Musikbeispiele auch auf historischen Instrumentenkopien mit möglichst authentischer Technik aufzuführen versuchte. Dann folgte das Studium von Verzierungsstilen, Deminutionen und Improvisationen auf der Renaissancelaute (Dalza, Spinacino, Capirola, F. da Milano, Dowland), dem Arciliuto, der Theorbe (Piccinini, Kapsberger, Zamboni), der Barocklaute (Weiss, Kellner, Gaultier, Bach), Vihuela (Milan, Narvaez, Mudarra, Pisador, Fuenllana), der Renaissancegitarre (Le Roy, Morlaye, de Rippe), der Barockgitarre (Foscarini, Sanz, F. Campion, S. de Murcia) und durch Hören der besten Interpreten von Alter Musik, besonders der Lautenisten und Sänger. Doch am meisten lernte ich aus der praktischen Erforschung der Interpretation von Vokalmusik von Caccini und Purcell, die ich mit dem Sänger Marjan Trček jahrelang im Duett entwickelte, betitelt nach Monteverdis Motett Jubilet (tota civitas …). In drei Jahrzehnten gaben wir unzählige Konzerte, in Ljubljana, Belgrad (Dalza, Dowland, Gastoldi, van den Hove) und Zagreb (zeitgenössische Premiere der Faksimileausgabe von Puliti, Armonici accenti von 1621) und machten später die CD-Aufnahme Sacri & Armonici Accenti (Monteverdi, Caccini, Puliti, Piccinini, Purcell) sowie Konzerttourneen in Slowenien und Ausland. Zuletzt spielten wir vor ein paar Jahren wieder in Belgrad auf dem Festival „NYMBUS“ (wo uns begeistert sogar die Freunde aus dem ehemaligen Kreis des englischen Doyen der Alten Musik, David Munrow, begrüßten).
Einen kräftigen Ansporn zu Anfang meiner Laufbahn gab mir Maestro Milan Horvat, als er mich einlud, mit der slowenischen Philharmonie in Bachs Johannespassion die Barocklaute zu spielen, die ich später noch viele Male spielte, so auch zum 80-jährigen Jubiläum des Maestro beim Barockfestival „Varaždinske barokne večeri“ („Varaždiner Barockabende“), das das kroatische Fernsehen – HRT – aufnahm.
Dazu orientierte und richtete ich mich im freundschaftlichen Dialog mit Michael Freimuth aus (dem Lautenisten aus Lübeck), mit dem ich mit der slowenischen Philharmonie weniger bekannte Werke von Carl Orff in Deutschland spielte und der später auf der historischen Laute unlängst entdeckte Kompositionen von Weiss in Österreich aufnahm. Danach mit Hopkinson Smith (über Improvisationen in der Alten Musik und über Bachs Werke für Barocklaute), Lynda Sayce (über Kompositionen von François Campion für Barockgitarre) und mit Peter Grijp (dem niederländischen Lautenisten und Leiter des Ensembles Camerata Trajectina), mit dem ich im Rahmen des „SEVIQC“ (lat. „Semper Viva Quam Creata“) und auf dem Festival der Barockmusik in Zagreb die niederländische Musik des 17. Jahrhunderts in einer Besetzung nach dem Vorbild der Gemälde aus dieser Zeit spielte).
Dazu fing ich auch noch an, die Musik des Orient für die arabische Laute zu erforschen. Dabei bekam ich eine freundschaftliche und großzügige Unterstützung durch Schenkung eines ausgezeichneten Instruments und Notenmaterials von Radwan Joukhadar aus Aleppo, der als Direktor von Medical intertrade in Kroatien lebt und arbeitet. Er half mir später auch, meine Solo-CD „Lutnje-Lutes“ mit repräsentativen Kompositionen und Improvisationen für die arabische Laute (Oud), Renaissance- und Barocklaute, Arciliuto und Theorbe (Chitarrone) aufzunehmen.
Ja! Trotz alledem unterrichte ich auch noch Philosophie. Dies können wir mit Sokratesˋ Haltung verbinden und verstehen, der in Platons Phaidon sagt, dass die Philosophie die höchste (wörtlich „die größte“) Musik sei. Auch mit Boethius, der glaubt, dass uns die Musica instrumentalis zur Erkenntnis, zur Entdeckung bringen kann, dass es auch höhere Ebenen von Musik gibt: Musica humana und Musica mundana. Mehr noch ist nach den Pythagoräern die Seinsweise des Kosmos selbst nichts anderes als Musik! All dies ist im Mittelalter als Musica speculativa bekannt, die Zarlino, Mersenne und Kircher in ihren Traktaten respektieren, ja sogar Dowland, Caccini, Pulitti, Händel, Bach, Mozart, und auch die ljubljaner Academia philharmonicum (1701); also geistige Musik, die sich bis zu Hindemith, Messiaen und unserem Primož Ramovž erstreckt. Aber zu all dem fügte Schopenhauer noch hinzu: Die Musik würde bestehen, auch wenn die Welt nicht bestünde.
Wann fingen Sie an, die Laute zu lehren, und wer war Ihr erster Schüler? Wie viele Schüler hatten Sie bis jetzt?
Die Laute fing ich vor etwa zwei Jahrzehnten zu unterrichten an, als mich Alenka Bagarič, die ihre Doktorarbeit am Gorzanis machte, bat, sie in das Lesen der Tabulaturen und das Spielen der Renaissancelaute einzuführen. Später lernte sie Hopkinson Smith kennen, machte ihren Doktor bei ZRC Sazu (Slowenische Akademie der Kunst und Wissenschaft) und bereitete mehrere Ausgaben von Gorzanis Musik für die Laute vor (Neapoletane und Solowerke). Mit ihr fing im Duett der Renaissancelauten auch mein Student der klassischen Gitarre, Marko Angelski, zu spielen an, der heute noch mit uns im Ensemble „Nova Schola Labaciensis“ die Theorbe spielt.
Bei der Methodik des Unterrichtens half mir am meisten Ivo Magherini mit ausgezeichnetem Studienmaterial, das damals noch als Hanschrift, die französische Lautenistin Pascale Boquet vorbereitete, die wir später in Ljubljana auch persönlich kennenlernten.
Danach ging alles wie von selbst: Es kamen neue Studenten dazu, zuerst meine ehemaligen Gitarrenschüler Minja Zorc und Žiga Kroflič (lezterer spielt immer noch mit uns in der NSL zusammen); und dann auch die Übrigen, die schon den akademischen Grad der klassischen Gitarre absolviert hatten: James Bowen aus San Diego in Kalifornien (machte sein Diplom in der Klasse von Pepe Romero), Maruša Mirnik (diplomierte an der [AG] Musikakademie in Ljubljana bei Tomaž Rajterič); Erazem Grafenauer (diplomierte bei Andrej Grafenauer an der Musikakademie in Ljubljana, wo er jetzt Laute als Nebenfach für Gitarristen unterrichtet, das eigentlich ich ins Leben rief) und seine Kollegen aus der Musikakademie. Jetzt sind unter meinen Studenten auch der akademische Gitarrist Matjaž Piavec (aus Laško) und Danijel Jurišić (aus Zagreb), die begeistert die Barocklaute studieren (besonders Weiss und Bach).
Wie gelang es Ihnen, in Ihr Musikschulwesen die Laute zu etablieren?
Nun, da das Leben viel zu kurz ist für all diese Bürokratie, vergeudete ich überhaupt nicht meine Zeit mit dem „Etablieren“. Dank des Verständnisses des Leiters der Musikschule und seiner glücklicher Unterstützung fing ich einfach an, die Laute als eine Variante der Gitarre zu unterrichten, die angeblich jeder Gitarrist kennen sollte, und manche können dies sogar auch lernen und ernsthaft spielen. Bei mir jedoch studierten auch manche Studenten, die keine Gitarristen, sondern Klavierspieler oder Geiger waren. Manche fingen mit der Renaissance- oder der arabischen Laute an, oder sogar mit der portugiesischen Gitarre, die eine Technik ähnlich der Renaissancelaute verlangt.
Es klingt fast unglaublich: Sie spielen blendend noch 15 verschiedene Zupfinstrumente. In welchem Maße beherrschen Sie diese Instrumente? Mit welchem Zupfinstrument, außer den verschiedenen Lauten, haben Sie angefangen? Welche kamen danach, und wie ist all dies machbar?
Mir scheint, dass wir eine Parallele wie mit dem Erlernen von Fremdsprachen ziehen können. Wenn man nämlich einige lernt, geht es leichter mit den anderen, obwohl man am Ende keine vollkommen beherrschen wird.
Aber das ist das menschliche Schicksal und die Wahrheit: Wir müssen uns immer bemühen, dazuzulernen, um etwas zu erkennen, zu erfahren und für das Leben zu lernen, obwohl wir uns der Tatsache bewusst sind, dass wir niemals ans Ende geraten. Einzig Gott allein weiß alles. Das artikulierten schon die alten Griechen, als sie sich Philosophen nannten. Also keine Weisen, sondern diejenigen, die die Weisheit lieben und nach ihr trachten, weil wirklich einzig Gott allein weise ist.
Ich reiste viel und immer wieder begeisterten mich die Saiteninstrumente (aber auch manch andere Musikinstrumente, wie z.B. die marokkanischen Trompeten Nfar oder das jüdische Schofar), auf die ich unterwegs traf. Langsam fing ich an, auch viele andere von ihnen zu sammeln, und manche lernte ich sogar konzertant zu spielen. Beispielsweise die Guitarra portuguesa oder die Fado Gitarre (eigentlich ein modernes Cittern, das sich aus der English guitar mit sechs Metallchören entwickelte. Hier gibt es zwei Varianten: jene aus Lisabon und jene aus Coimbra. Beide jedoch werden heute noch archaisch gespielt, gerade so wie es Fuenllana schon im 16. Jahrhundert für die Vihuela beschreibt, nicht in der Dos dedos-Technik, sondern nur mit dem Daumen und Zeigefinger, aber so, dass zur Begleitung des Daumens der Zeigefinger die Melodie in beiden Richtungen über der Saite spielt (bei der einen aus Lisabon mit der „Tirando-Technik“, bei der anderen mit der „Apoyando-Technik“).
Die arabische Laute hingegen wird mit dem Risha gespielt, einer Art Plektrum (ursprünglich aus Vogelfedern hergestellt, was auch die wörtliche Bedeutung dieses Wortes ist). Mit ähnlicher Technik kann man auch die Laute aus dem Jemen, das Qanbus spielen, weiterhin das Tar aus dem Iran, das afganistanische Rubab, das indische Sarod, das türkische Saz baglama und Mizrapli tanbur, sowie das Rabab aus dem Kaschgar (Regierungsbezirk im Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang in China, Anm. d. Übers.). Mit den Fingern wird beispielsweise ähnlich der Renaissance- und Barocklaute das bolivianische Charango gespielt. Das heißt, auf diese Arten kann man wenigstens halbwegs auch das indische Sitar und das Saraswati veena spielen lernen, nur dass man wie bei der Fado Gitarre künstliche Nägel drauftun muss.
Alles Angeführte bezieht sich auf die Technik, die man sich ziemlich schnell und gut aneignen kann. Das Verständnis jedoch dieser authentischen Musiktraditionen dieser Musikinstrumente ist viel schwieriger, und dafür sind viele Jahre nötig. Wir müssen uns aber der Tatsache bewusst sein, dass wir auch nach Jahren des Lernens niemals das Besagte, das heißt das Maqamat-System (ähnlich wie bei den Arabern und in der Türkei, obwohl sie sich untereinander halbwegs unterscheiden) oder das Dastagah (im Iran, woher die ganze orientale Musik, sogar die afganische und die nordindische stammt) im Ganzen lernen können.
Das ist eine echte Herausforderung. Diese Traditionen nämlich verstehen sich selbst als klassisch, gerade so wie wir beispielsweise Beethoven schätzen, das heißt wir diese Musik nicht als Ethno oder World music einordnen. Vielen im Westen scheint es ziemlich naiv, einige Elemente östlicher „Ethno-Musik“ versuchen nachzuahmen.
Falls sie wirklich diese Herausforderung annehmen, wird folgendes geschehen: Auch nach mehreren Jahrzehnten werden sie sich selbst eingestehen müssen, dass sie in der Musik, wie auch im geistigen Leben, nur ein gewöhnlicher Anfänger und Schüler sind, der weiß, dass er nichts weiß. Gerade so wie Khalil Gibran einen jüdischen Dichter beschreibt, der zu Jesu Zeiten den Herrn selbst traf und augenblicklich zu singen aufhörte. Er war nämlich sprachlos vor der unerreichbaren Schönheit, wie der Herr sang. Davon will auch mein Lied „El Nuevo Orfeo“ https://www.youtube.com/watch?v=SuEqXv-Pk ein Zeugnis ablegen.
Was können Sie uns schließlich über die Laute sagen und welche Botschaft haben Sie mit ihr für uns?
Die Laute ist ein Lied, sagt Edin Karamazov. Und wirklich, wir können sie hören und mit den geistigen Augen sogar auch sehen, wie in ihr der ganze Kosmos klingt und leise singt. Die Araber haben früher ihre Lauten so gebaut, dass sie in den Kreis vier Orientierungen für die vier Himmelsrichtungen zur Rosette platzierten: Osten und Westen, Norden und Süden.
Die frühen Christen haben ihre Gemeinschaft der Liebe als ein gut gestimmtes Musikinstrument aufgefasst, das auf der Liebe Gottes gegründet ist.
Deswegen ist es kein Zufall, dass die Laute während des europäischen Mittelalters, durch die ganze Renaissance hindurch und den frühen Barock als die Königin betrachtet wurde, das heißt als das wichtigste Musikinstrument. In den arabischen Ländern gilt dies auch heute noch. Es ist interessant, wo man ihr alles und in welchen Formen begegnen kann: vom persischen Barbat bis zum indischen Sitar und Veena, vom jemenischen Qanbus bis zur chinesischen Pipa und der japanischen Biwa, vom arabischen Oud bis zum türkischen Tanbur, dem griechischen Bouzuki und den europäischen Lauten … Der Lautenist, der sich dessen bewusst ist, kann mit ihrem Lied die ganze Welt bereisen und zuletzt die ganze Welt umarmen.
Tinctoris zählt Ende des 15. Jahrhunderts Complexus effectum musices zwanzig Affekte der Musik auf, die alle aus der Laute hervorkommen können, die er lateinisch als Testudo oder Schildkröte bezeichnet. Sebastian Covarrubias Orosco leitet den Namen Laute in seinem Tesoro de la lengua castellana (1611) im Unterschied zur gewöhnlichen Etymologie nicht aus dem arabischen Al-Oud (Holz) ab, sondern vielmehr aus der griechischen Bezeichnung für Fischer beziehungsweise aus der kleinen bauchigeb Barke (Ha-Lieut: Ha-lieutika sc. Varka); woher wiederum auch das kroatische/italienische Leut stammt, wie heute noch in Istrien/Kroatien manche Tavernen und das dalmatinisch-kroatische Boot Leut genannt werden. Mit der Laute also können wir wie die Fischer Jesu menschliche Herzen fangen, und zur gleichen Zeit das wahre Festmahl des Lebens feiern, um jenem, „was ewig dauern wird“, zu gedenken (wie es auch die ersten Liebhaber der Harmonie aus Ljubljana, die Philharmonici, in ihren Leges aus 1701 sagen). Auch Strawinsky sagte treffend, dass die Laute das intimste menschliche Musikinstrument sei. Wenn wir uns nämlich in die tiefste Stille ihres Liedes vertiefen, dann können wir mit dem Herzen sogar jenen himmlischen Wiederhall der ewigen Schönheit erfassen, wovon Platon in seinem Phaidros schwärmt. Dann verstehen wir den Grund, warum alle Lauten des Grafen Losy, als ihr Herr starb, auf das Gesicht umgedreht wurden. Über das Geheimnis des Lebens nach dem Leben nämlich muss auch die Laute schweigen.
Und uns bleibt der Glauben, dass „dort“, „auf der anderen Seite“, die Musik noch schöner und zärtlicher sein wird, als jene, die aus der schönsten und der feinsten Laute hervorkommt.
Vielen Dank für das Gespräch!
Übersetzung aus dem Kroatischen ins Deutsche:
Antun Mrzlečki, 2016.
Lektorat:
Christiane Geldmacher M. A., 2016.